In dieser Beitragsreihe stellen wir dir die geläufigsten Rechtsgebiete vor und geben dir einen Überblick darüber, welche Karrieremöglichkeiten die einzelnen Felder bieten und welche Kenntnisse und Fähigkeiten benötigt werden. In diesem Beitrag geht es um Arbeitsrecht.

Allgemeines zum Arbeitsrecht

Das Arbeitsrecht wird in Individual- und Kollektivarbeitsrecht unterteilt. Das Individualarbeitsrecht betrifft dabei maßgeblich das Verhältnis zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in, insbesondere im Hinblick auf das Arbeitsvertragsrecht und dem Arbeitnehmerschutz. Demgegenüber umfasst das Kollektivarbeitsrecht das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten, Personalräten und sonstigen Mitarbeitervertretungen auf der einen Seite und den Arbeitgeberverbänden und Arbeitgebern auf der anderen Seite; und damit insbesondere das Koalitionsrecht, das Tarifvertragsrecht, das Betriebsverfassungs- beziehungsweise Personalvertretungsrecht, das Mitbestimmungsrecht und das Arbeitskampfrecht.

Die Unterscheidung zwischen Individual- und Kollektivarbeitsrecht hat ferner eine Auswirkung auf das durchzuführende gerichtliche Verfahren: Während Angelegenheiten des Individualarbeitsrechts hauptsächlich im Urteilsverfahren entschieden werden, entscheidet das Arbeitsgericht bei Angelegenheiten des Kollektivarbeitsrecht im Beschlussverfahren (vgl. §§ 2, 2a des Arbeitsgerichtsgesetzes [ArbGG]). Dennoch ist eine strikte Trennung dieser beiden Teilbereiche in der praktischen Fallarbeit oft nicht möglich, sodass meist Aspekte aus beiden Bereichen herangezogen werden müssen.

Die gesetzlichen Grundlagen des Arbeitsrechts finden sich in über 25 Gesetzen, insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch [BGB], im Kündigungsschutzgesetz [KSchG], im Betriebsverfassungsgesetz [BetrVG], im Tarifvertragsgesetz [TVG], im Entgeltfortzahlungsgesetz [EFZG] oder im Teilzeit- und Befristungsgesetz [TzBfG]. Bemühungen ein zentrales Arbeitsgesetzbuch zu schaffen, das der Arbeitsgerichtsbarkeit als von den ordentlichen Gerichten unabhängige und damit eigenständige Gerichtsbarkeit gerecht wird, schlugen bislang fehl.

Im Arbeitsrecht gilt grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip. Danach sind im Arbeitsvertrag solche von Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abweichende Bestimmungen zulässig, die zugunsten der Arbeitnehmer:innen erfolgen. Dieses Prinzip ist Ausdruck des im Arbeitsrecht geltenden Grundsatzes des Arbeitnehmerschutzes. Deshalb darf im Arbeitsvertrag beispielsweise ein Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers von 30 Tagen geregelt werden, nicht aber von 22 Tagen (vgl. § 3 des Bundesurlaubsgesetzes [BUrlG]).

Arbeitnehmer:innen sind gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG alle Arbeiter:innen und Angestellte, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages für einen anderen unselbstständige Dienste leisten (zum Begriff der Selbstständigkeit vgl. § 84 Abs. 1 S. 2 des Handelsgesetzbuches [HGB]). In vielen Fällen können sich aber auch arbeitnehmerähnliche Personen i.S.v. § 12a TVG auf arbeitsrechtlichen Schutz berufen, also Personen, die wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einer bzw. einem Arbeitnehmer:in sozial schutzbedürftig sind.

Welche Karrieremöglichkeiten im Arbeitsrecht habe ich?

Die Einsatzgebiete für Jurist:innen mit guten Kenntnissen im Arbeitsrecht sind mannigfaltig. Im Rahmen der klassischen juristischen Berufe besteht zunächst die Möglichkeit, im Staatsdienst eine Karriere als Richter:in an einem Arbeitsgericht zu bestreiten. Als Alternative dazu kann sich ein: arbeitsrechtlich versierte:r Volljurist:in als (Einzel-)Anwältin selbstständig machen oder eine Anstellung in einer Boutique, mittelständischen Kanzlei oder Großkanzlei finden – und zwar bundesweit; eine Hochburg besteht für das Arbeitsrecht nicht. Allerdings gibt es eine Vielzahl von rein auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzleien.

Wer nicht klassisch-juristisch tätig werden möchte, kann als Syndikusanwältin bzw. -anwalt in einem Unternehmen Karriere machen. Diese suchen häufig Jurist:innen mit guten Kenntnissen im Arbeitsrecht, sei es für die Rechtsabteilung oder ganz allgemein für die Personalabteilung. Tätigkeitsschwerpunkt ist neben sämtlichen arbeitsrechtliche Personalfragen auch die arbeitsrechtliche Compliance. In einigen Unternehmen ist eine (erfolgreich) abgelegte zweite juristische Prüfung noch nicht einmal zwingende Voraussetzung, da Unternehmen ohnehin gerne gerichtliche Verfahren vermeiden.

Welche besonderen Kenntnisse sollte ich mitbringen?

Das Arbeitsrecht wird in der universitären Ausbildung einiger Bundesländer etwas vernachlässigt, da es sich nicht bundesweit um Pflichtstoff handelt. Im juristischen Vorbereitungsdienst erfährt das Arbeitsrecht grundsätzlich eine größere Aufmerksamkeit, allerdings in der Regel nur hinsichtlich des Individualarbeitsrecht. Deshalb ist es notwendig, sich die entsprechenden Kenntnisse im Kollektivarbeitsrecht selbst anzueignen.

Darüber hinaus sind vertiefte Kenntnisse des allgemeinen Zivilrechts notwendig, da das Arbeitsrecht im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen agiert.

Ferner sind vertieftere Kenntnisse in den einschlägigen Normen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts notwendig, denn für Jurist:innen nimmt die Bedeutung der arbeitsrechtlichen Compliance zu. Entsprechende Compliance-Richtlinien dienen nicht nur der Vermeidung von Haftungsklagen, sondern auch von Wirtschaftskriminalität.

Promotion und / oder LL.M. sind insbesondere in der freien Wirtschaft sehr gerne gesehen.

Kann ich im Rechtsgebiet Arbeitsrecht Fachanwalt werden?

§ 10 der Fachanwaltsordnung [FAO] nennt die Voraussetzungen für den Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwältin bzw. -anwalt für Arbeitsrecht“. Danach werden besondere Kenntnisse in den Bereichen

  • Individualarbeitsrecht
    (und im Rahmen dessen insbesondere zum Arbeits- und Berufsausbildungsvertrag, zur betrieblichen Altersvorsorge, zur Arbeitsförderungs- und des Sozialversicherungsrechts sowie zum Schutz besonderer Personengruppen wie Schwangere und Mütter, Schwerbehinderte und Jugendliche);
  • Kollektivarbeitsrecht
    (und im Rahmen dessen insbesondere zum Tarifvertragsrecht, zum Personalvertretungs- und Betriebsverfassungsrecht sowie zum Arbeitskampf- und Mitbestimmungsrecht);
  • Verfahrensrecht

verlangt.